24. Juli 2015: Triple Ultratriathlon Lensahn

Triple Ultratriathlon Lensahn

Unsere Ergebnisse:
Iris Hadbawnik: 56:30:55 h

Alle Distanzen im Überblick:
11,4 km Schwimmen in: 04:54:58 h
540 km Radfahren in: 29:22:00 h
126,6 km Laufen in: 21:37:34 h

Der Triple Lensahn war eine grandiose Erfahrung mit vielen, vielen Höhepunkten und einer perfekten Organisation! Mit einem super Moderator, der mich durch alle Runden begleitet und mich stets zum Lachen gebracht hat – lieben Dank an Bernhard Vogel -, tollen Athleten, die meistens einen lockeren Spruch auf den Lippen hatten und deren Teams, die wirklich jeden Athleten laustark angefeuert haben! Mein Dank geht an Wolfgang Kulow, der mir in den letzten Monaten immer wieder den Rücken stärkte, wenn ich doch leise Zweifel spürte, ob ich diese Distanzen tatsächlich schaffen kann – und insbesondere an das weltbeste Ultra-Triathlon-Betreuerteam (Petra, Marion, Flo und Oli), ohne eure Hilfe hätte ich das niemals geschafft!!!
Außerdem bedanke ich mich bei allen für die überwältigende Reaktion und die unzähligen Glückwunsche, die mich per Mail, Whats App oder Facebook ereicht haben. Klasse waren vor allem auch eure Anfeuerungen und das intensive Daumendrücken, das mir sehr viel Spaß und noch mehr Energie auf der Strecke gegeben hat!! 🙂

Hier findet ihr die Reportage von RTL Nord zu meinem Start beim Ultra Triple Triathlon in Lensahn.

Triple Ultra Triathlon Lensahn



Zum Wettkampfbericht von Iris Hadbawnik….

 

 

Triple Ultra Triathlon Lensahn: In der Ruhe liegt die Kraft

„Ich wart‘ seit Wochen auf diesen Tag und tanz‘ vor Freude über den Asphalt…“ Und nun sollte er endlich da sein: Der Triple Ultra Triathlon Lensahn. Genügend Gedanken hatte ich mir in den letzten Monaten bereits gemacht. X-mal die Frage gestellt: Ist diese sportliche Herausforderung nicht doch eine Nummer zu groß für mich? Würde ich diesmal mein körperliches Limit überschreiten? Was ist, wenn ich am Ende jämmerlich scheitere? Dabei setzte mein Umfeld große Hoffnungen in mich: „Du schaffst das schon! Du kriegst das hin! Einfach durchziehen!“ Das war zwar erfreulich, aber ich war mir nicht sicher, ob dadurch der Druck nicht auf eine andere, subtilere Weise erhöht wurde…

Bei meinem ersten Ironman-Start vor genau 10 Jahren hörte ich noch die Kommentare: „Das schaffst du nicht, das ist eine Nummer zu groß!“ Damals war der „Und-jetzt-erst-recht-Gedanke“ meine größte Motivation. Heute hielten alle große Stücke auf mich und waren von meinem Erfolg überzeugt. Das stresste mich fast noch mehr. Was wäre, wenn ich mein Umfeld nun zum ersten Mal enttäuschen würde?
Als ich nach unserem Besuch beim Ultra Triathlon Lensahn 2014 mit den Planungen meiner eigenen Teilnahme begann, dachte ich zunächst, das Schwimmen über 11,4 km wäre die größte Herausforderung – und zudem der blanke Horror! Mit Schrecken dachte ich an meine früheren Kraulversuche zurück. Nur im Neo konnte ich bei meinem ersten Ironman kraulen. Bei Neoverbot hätte ich mich mit Brustschwimmen durchquälen müssen.
Nur der gemeinsamen Arbeit mit meinem Schwimmcoach Vito Consalvo (der sehr, sehr viel Geduld mit mir hatte! 🙂 Vielen lieben Dank dafür!) verdankte ich es, dass ich das Schwimmen Stück für Stück zu mögen begann. Ja, am Ende genoss ich es sogar, scheinbar schwerelos durch das Becken zu gleiten. Nur durch meinen neu erlernten Kraulstil erlebte ich tatsächlich eine Art Flow, den ich vorher nur vom Laufen kannte. Mehr als einmal kam mir dabei der Gedanke: so könnte ich ewig weiterschwimmen. Leider holten mich die rückenschwimmenden Senioren mit denen ich im Silobad stets eine Bahn teilte, schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Einmal im Flow abgetaucht, war der ein oder andere Zusammenstoß leider unvermeidbar. 😉

Erst an jenem Tag, als ich knapp zwei Wochen vor Lensahn, das erste und einzige Mal meine 11,4 km im Training absolvierte, und ich mich danach noch relativ fit fühlte, wuchs in mir die Gewissheit: Diese Distanz schaffst du auch im Wettkampf mit links.

Immer mehr Sorgen machte mir allmählich das Radfahren. Zumal einige Trainingseinheiten aufgrund körperlicher Hindernisse, äußerer Bedingungen oder ganz banal wegen schlechten Wetters ausgefallen und in Hinblick auf den Wettkampf zeitlich nicht mehr zu realisieren waren. Meine Bilanz war mager: Ich hatte nie länger als 12 Stunden am Stück auf dem Rad gesessen. Ich war nie weiter als 230 km gefahren. Wie würde es sich also anfühlen mehr als doppelt so lange auf dem Sattel zu sitzen? Wäre das überhaupt möglich? Würde mein Nacken mitspielen? Die Hände? Was würde der Po dazu sagen? Ich wusste, der Schlüssel zum Erfolg ist, das Radfahren langsam anzugehen, eine hohe Trittfrequenz zu fahren und regelmäßige Pausen zu machen. Weiterhin half mir hier auch das Mantra, das mir der zweimalige RAAM-Finisher Dr. Michael Nehls wenige Wochen zuvor per Email zugeschickt hatte: „Iris, trainiere nicht zu hart … 🙂 In der Ruhe liegt die Kraft.“.
Mir war klar, wenn Schwimmen und Radfahren erfolgreich bewältigt waren, dann würde ich das Ding auch nachhause laufen, aber soweit musste es erst einmal kommen…

Nur für die Statistiker:
Bis zum Wettkampf bin ich in den letzten 6 Monaten knapp 100 km geschwommen, etwa 3.000 km Rad gefahren und 1.100 km gelaufen.

Grob gesprochen, ne‘ harte Sau

An der Ostsee eingetroffen war die Aufregung enorm. Jetzt sollte es bald losgehen. Wettkampfbesprechung und Athletenvorstellung zogen wie im Rausch an mir vorüber. Die Nacht vor dem Start war dann der reinste Horror. Ich wälzte mich im Bett umher und fand keinen rechten Schlaf. Als mich um halb 5 Uhr morgens endlich der Wecker erlöste, war ich total gerädert und die Panik wuchs: Wie sollte ich völlig übermüdet einen Wettkampf von zweieinhalb Tagen überstehen? Keine Ahnung – meine eigene ehrliche Antwort!
Als ich dann im Auto auf dem 15 minütigen Weg nach Lensahn aus dem Fenster schaute, wurde ich mit einem Mal ganz ruhig. Endlich ging es los! Endlich musste ich mir keine Sorgen mehr machen, ob meine Ausrüstung oder mein Training ausreichend sei. Welche Verpflegung ich wann zu mir nehmen wollte. Ob mein Team – bestehend aus Petra, Marion, Flo und Oli – Spaß am Wettkampf hätte oder sie sich am Ende doch langweilen würden. Und endlich musste ich keinen Rote-Beete-Saft mehr trinken! Halelujah!! 🙂
Als wir gegen 6 Uhr am Waldschwimmbad in Lensahn eintrafen, fuhr auch gerade das Team von RTL vor. Lange hatte ich überlegt, ob es wirklich ratsam sei, eine Zusage für einen Dreh zu geben. Wäre es nicht schon so stressig genug? Und wäre ich am Ende vielleicht zu nervös oder wahlweise genervt oder irgendwann mit den Kräften am Ende, um noch ein anständiges Interview zu geben? Heute weiß ich: es war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte! Ich hatte bis zum Start gar keine Zeit, mich um meine eigene Nervosität zu kümmern. Hier ein Interview, da eine Einstellung, dort gab es eine Frage zu beantworten und ruckzuck wurde es Zeit ins Wasser zu gehen und auf den Startschuss zu warten.

Auf Bahn 6 – ich nenne es jetzt mal: der etwas langsameren Schwimmer – hatten sich bereits meine Schwimmkollegen eingefunden. Möglichst elegant wollte ich mich über den Beckenrand ins Wasser schwingen. Rutschte bei diesem Versuch aber aus, verlor das Gleichgewicht und landete etwas unsanft auf meinem Po. Na, das fängt ja gut an, dachte ich noch und rief schnell dem RTL-Kameramann zu: „Das nehmt ihr aber nicht mit rein!“ Im nächsten Moment erlebte ich eine weitere Überraschung: Das Wasser war eisig kalt – und es sollte sich auch nicht mehr weiter aufheizen…Bei 8 Grad Außentemperatur hatte das Wasser gerade mal 22 Grad. Gefühlt lag der Wert noch deutlich darunter. Kein Vergleich zu meinen Badewassertemperaturen im Silobad. Naja, das wird schon, redete ich mir zu. Aber ich sollte mich irren.

Als der Startschuss fiel schwammen die anderen Bahnen in Sekundenschnelle los. Wir jedoch diskutierten erst mal, wer denn als erstes schwimmen sollte. Und da niemand die Führung übernehmen wollte, machte ich den Anfang. Irgendwann überholten mich zwei Schwimmer und setzten sich vor mich, so dass ich nun in deren Wasserschatten schwimmen konnte. Dies hatte ich zwar zuvor mit Vito trainiert, aber nun kam es mir vor, wie im Traum. Ich musste keinerlei Kraft aufwenden, um vorwärts zu kommen und paddelte völlig entspannt hinter den anderen her. Doch nach einiger Zeit beschlich mich ein ungutes Gefühl: War das überhaupt mein Tempo? Was ist, wenn wir in diesem Trott am Ende sechs Stunden bräuchten? Zudem spürte ich die Kälte, die mir immer mehr in den Rücken und bald in alle Glieder schoss.

Bei der nächsten Bahn hatte Stephan vor mir einen Wadenkrampf. Zum Glück habe ich damit keine Probleme, dachte ich noch, aber nur ein paar Bahnen später zuckten auch meine Waden verräterisch. Die Kälte hatte sich mittlerweile im gesamten Körper festgebissen und auch durch schnelleres Schwimmen war diese nicht mehr kontrollierbar. Bei verstärktem Beineinsatz meldete sich sofort ein Wadenkrampf an. Also während dem Kraulen kurz dehnen und möglichst „entspannt“ weiterschwimmen. Beim ersten Trinkstopp zitterte ich bereits am gesamten Körper. Mein Team reagierte sofort und organisierte mir einen heißen Tee, der mich dann kurzfristig von innen wärmte. „Wird sie das denn schaffen?“, wird Oli vom Kamerateam von RTL gefragt. Und Oli gibt eines seiner immer wieder legendären Statements ab: „Sie ist grob gesprochen ne‘ harte Sau!“, lacht er in die Kamera. „Sie ist mental sehr, sehr stark und wir haben schon einige Höhen und Tiefen zusammen erlebt.“ Wer es noch nicht kennt: hier noch das legendäre „Klaps auf den Po-Video“.

Langsam kannte man auch die Eigenheiten der einzelnen Mit-Schwimmer auf unserer Bahn. Zwei Brustschwimmer, die zumindest anfangs recht flott unterwegs waren. Einer davon ohne Neo – Respekt dafür, Phillip, ich wäre schier erfroren! Dann war da der Paddler, der mit extremem Beinschlag schwamm und gut zum Wasserschatten-Schwimmen geeignet war. Ein anderer Schwimmer mit der harten und einer mit der weichen Fußsohle. Und dann hatten wir noch den Spanier, der uns alle Freude bereitete, indem er immer nur stur auf der Linie in der Mitte des Beckens schwamm…

Verwirrung gab es dann plötzlich, was meine zurückgelegte Strecke betraf. „Du hast schon 8.100 m“, rief Petra mir zu. Ein Blick auf meine Uhr sagte mir, dass dort 500 m mehr gezählt wurden. Ich war verwirrt. Wie konnte das sein? Und lasse nachprüfen, wieso da eine Differenz besteht. Erst später fällt mir ein: Meine Uhr reagiert auf Richtungswechsel. Ich war gerade bei einer Wende, als der erste Schwimmer aus dem Becken kam. Das fand ich beeindruckend und habe ordentlich für ihn geklatscht. Meine Uhr reagierte sofort und wunderte sich wohl nicht weiter darüber, dass ich plötzlich meine Bahnen im Millisekundentakkt schwamm…

Als mir die Zählerinnen des DLRG Lensahn dann endlich das heißersehnte 100 m-Schild ins Wasser hielten, warf ich ihnen eine Kusshand zu. So sehr freute ich mich, dass ich es nun endlich geschafft hatte. Ich kann gar nicht beschreiben, welche Wohltat es war, nach knapp 5 Stunden den kalten Fluten zu entsteigen. Mein Kiefer schmerzte vom vielen Zähneaufeinanderschlagen beim Zittern und ich war vollkommen ausgekühlt. Am liebsten hätte ich auf der Stelle geheult, so fertig war ich mit den Nerven. Dabei hatte mich das Schwimmen an sich überhaupt nicht angestrengt. Keine Schmerzen in der Schulter, keine überlasteten Handgelenke, keine vom Chlor verstopfte Nase. Alles prima – bis auf die Kälte.

Wellness Wettkampf: heiße Dusche gefällig?
Zu Hälfte raus aus dem Neo hatte mir mein Team wie besprochen einen Kaffee und ein Käsebrötchen bereitgestellt. Aber ich zitterte an einer Tour und konnte mich gar nicht wieder beruhigen. Außerdem war mir durch die Dauer-Kälte leicht übel und mein Magen streikte. Eine heiße Dusche musste her, um mich wieder aufzutauen. Minutenlang ließ ich den heißen Wasserstrahl auf meinen Körper prasseln. Eine wahre Wohltat. Und auch meine eingefrorenen Geister wurden langsam wiederbelebt.
In aller Ruhe stieg ich in meine Radklamotten und machte mich auf den Weg zum Rad. Dort wartete mein Team mit den RTL-Leuten auf mich. Ich war zumindest soweit wieder hergestellt, dass ich einigermaßen vernünftig sprechen konnte. Essen jedoch klappte noch immer nicht und hoffte auf eine Besserung, wenn ich erst einmal auf dem Rad saß.

Die ersten Runde auf dem Rad fühlten sich unrund an, aber schnell wurde mir warm und ich konnte Runde um Runde in einem lockeren Tempo abspulen. Dann verschwimmt in meiner Erinnerung die Zeit. Ich halte an, um neue Verpflegung zu laden. Ich stoppe, um entlang der Strecke aufs Klo zu gehen. Ich winke Daniel, dem Kameramann zu und gebe ein Statement ab. Ab und zu fahren Athleten zu mir auf, um ein kurzes Schwätzchen zu halten. Ich lache den Leuten an der Strecke zu, die uns eifrig anfeuern.
Abends hatte ich eine längere Pause geplant, um in Ruhe meine 5-Minuten-Terrine Nudeln in Tomatensoße inklusive großer Parmesanstücke zu genießen und dabei mein Rad für die Nacht umrüsten zu lassen. In der Ruhe liegt die Kraft. Stets war ich darauf bedacht, meine hohe Trittfrequenz zu fahren, um Muskeln und Gelenke nicht unnötig zu beanspruchen. Auch der regelmäßige Griffwechsel funktionierte hervorragend. Gegen meine größte Schwachstelle, meine Nackenmuskulatur, hatte ich mich von den Mädels frühzeitig tapen lassen. Auch das fühlte sich gut an.

Mini-Schlaf
In der Nacht frischte der Wind auf und es begann leicht zu tröpfeln. Aber es blieb bei milden Temperaturen und einzig das Blenden der entgegenkommenden Radfahrer belastete die Augen und irgendwann die Konzentration. Gegen Morgen meldete sich meine rechte Schulter ziemlich heftig zu Wort. Vom Schwimmen etwas ermüdet, gab ihr das ständige Bremsen und Schalten auf dem Rad den Rest. Ein ABC-Pflaster sollte Abhilfe schaffen. Und tatsächlich entfaltete die Wärme nach einiger Zeit eine gewisse Linderung.

Im Rückblick verging die Nacht wie im Fluge. Als gegen 4:30 Uhr die Sonne tiefrot über den Feldern aufging, freute ich mich riesig auf den neuen Tag. Aber die Freude wurde jäh überschattet, denn nun sah man auch, dass sich mächtige Gewitterwolken hoch, schwarz und bedrohlich am Himmel türmten. Sollte dies nun das angekündigte Sturmtief sein? Würde es sich wirklich über uns entladen oder uns am Ende gar verschonen und weiterziehen? Noch als ich bei meinem Team stand, um die Regenkleidung anzulegen erhielt ich meine Antwort: Das Tief ging mit voller Härte auf uns nieder. Mir war sofort klar: Unter diesen Bedingungen fahre ich keine Meter mehr! Als eingefleischte Schönwetterfahrerin gibt es nichts schlimmeres, als Regen. Und Platzregen mit heftigen Sturmböen war das absolute No go. „Ich mach Pause“, beschloss ich nach nun 22 Stunden Wettkampfzeit und Petra bot mir augenblicklich an, mich in ihr Auto – einen nagelneuen Mini – zu legen. Was ich dankend annahm. Eigentlich bin ich aber gar nicht müde, dachte ich noch, als ich auf dem Beifahrersitz dem prasselnden Regen lauschte, und war im nächsten Moment bereits eingeschlafen. 5 Minuten später war Petra wieder da. „Ich hab dir noch etwas zu trinken gebracht und komme in einer halben Stunde wieder.“ Jaja, denke ich nur und bin schon wieder weg. Nach gefühlten drei Sekunden war Petra wieder da. „Es regnet immer noch.“ Weck mich, wenn der Regen nachlässt, gebe ich ihr noch mit auf den Weg und war sofort wieder eingeschlafen. Kurz darauf ging erneut die Autotür auf: „Es ist Zeit, der Regen wird weniger!“ Nur noch 5 Minuten murmelte ich, aber Petra blieb hartnäckig. „Du kommst dann aber, nicht wieder einschlafen!“ Also schälte ich mich aus dem schönen warmen Schlafsack hinaus in den nasskalten Morgen. Das war mehr als hart…

Später sehe ich, dass ich insgesamt zweieinhalb Stunden Pause gemacht habe. Aber trotz des relativ kurzen Schlafes war ich wieder topfit. Vor allem im Kopf. Ich nahm einen Schluck Kaffee, biss in ein Brötchen und rüstete mich mit Regenkleidung für die weiteren Radrunden.

Als ich aufs Rad stieg fühlte sich alles wieder gut an. Mein Po war ok. Mein Nacken entspannt, die Schulter hatte sich beruhigt, die Hände waren wieder frisch. Mit neuer Motivation mache ich mich auf die restlichen Radrunden. Immerhin lagen noch etwa 200 km vor mir.

Nach Runden voller Euphorie kam nach ein paar Stunden die Erschöpfung zurück und schließlich schien das Radfahren kein Ende zu nehmen. Hätte mir im Vorfeld jemand erzählt, wie zäh das Radfahren sein wird, ich weiß nicht, ob ich überhaupt zum Wettkampf angetreten wäre. Zudem erhielt mein Team die Info, dass am Nachmittag erneut ein Sturmtief aufziehen sollte. Eine wenig erfreuliche Aussicht und ich hoffte inständig, dass ich da bereits vom Rad auf die Laufstrecke gewechselt sei. Aber vorher galt es immer wieder die 4,81 km lange Rundstrecke abzuspulen.

Irgendwann konnte ich kaum noch etwas essen. Nur Ingwertee und heiße Brühe retteten mich über die Runden hinweg. Alles wurde nun äußerst anstrengend: Das Lachen mit den – mittlerweile – wenigen anderen Athleten, die auch noch auf der Strecke waren. Das Absteigen vom Rad, wenn ich mal wieder Pipi musste. Das Winken und Freuen, wenn ich an meinem Team an der Strecke vorbeikam, die sich natürlich alle Mühe gaben, mich anzufeuern. Und auch der Moderator Bernhard hatte immer einen lustigen Spruch für mich auf den Lippen, wenn ich über den Schützenplatz fuhr: „Seht sie euch an, die Iris, was für eine Frau!“

Als ich dann „nur“ noch 10 Runden, also knapp 50 km vor mir hatte, ging das Unwetter erneut los. Von einer auf die andere Sekunde brach es über uns herein. Total unterkühlt schlüpfte ich erneut in meine Regenkleidung, die mir Petra glücklicherweise an die Strecke brachte, indem sie mir mit dem Auto entgegenfuhr. Jetzt eine Pause zu machen wäre unklug gewesen. Also weiterfahren und irgendwie versuchen, den Rest der Strecke zu bewältigen. Trotz Sturm und trotz Regen. Das demoralisierte ungeheuer. Auch die Aussicht, dass wir in der letzten halben Stunde nur noch zu zweit auf der Radstrecke waren, war erschreckend. Der Spanier, der noch hinter mir lag, hatte die Fahnen gestrichen. Einzig Desmond, der Ire, war noch 15 Runden, also 72 km hinter mir. Dafür hatte er am Ende noch 3 Stunden Zeit – ob das zu schaffen wäre? Später hörte ich, dass er bei 100 Runden – 112 waren zu bewältigen – den Wettkampf abgebrochen hat.

Und dann bin ich auf meiner letzten Runde. Ich atme auf und kann mich gar nicht richtig freuen, so fertig bin ich. Nur noch knapp 5 km, dann hast du es geschafft, motivierte ich mich selbst. Ich schaute nach rechts und sah drei Jungs, die mit ihren Rädern neben mir auf dem Radweg herfuhren. „Begleitet ihr mich auf meiner letzten Runde?“, fragte ich. „Wenn wir dürfen!?“ „Ja gerne!“ Und so fuhren wir gemeinsam auf den Schützenplatz und zu meinem lang ersehnten Wechsel auf die Laufstrecke. „Vielen Dank, Jungs, dass ihr mich ins Ziel gebracht habt“, rief ich ihnen noch zu. „Dürfen wir dann später eine Runde mit dir mitlaufen?“ „Das wäre mir eine Ehre!“, lachte ich.

Mein Team nahm mich im Wechselzelt in Empfang. „Das war eine schwere Geburt“, sagte ich erschöpft und freute mich wie ein kleines Kind auf eine weitere heiße Dusche, denn vom stundenlangen Radfahren bei Wind und Wetter war ich wieder einmal total unterkühlt.

Behutsam zog ich in der Dusche nach mehr als 29 Stunden meine Radhose aus. Ein kurzer Blick und ich atmete erleichtert auf. Es war zwar alles sehr (!) beansprucht, aber es gab keine offenen Stellen und meine Haut mehr gereizt als entzündet. Die Assos-Hose in Kombination mit der regelmäßigen Nutzung der Gesäßcreme hatten doch tatsächlich wahre Wunder bewirkt. Also alles heil – soweit man unter diesen Umständen von heil sprechen konnte. Noch wusste ich jedoch nicht, ob ich es aushalten könnte, wenn jetzt über 20 Stunden meine Laufhose an den gereizten Stellen scheuerte…
Während ich die Dusche genoss ging draußen ein erneutes Unwetter mit heftigem Gewitter über uns nieder. Alles richtig gemacht! Jetzt konnte ich mir erst mal Zeit lassen und mich in Ruhe für die 126,6 km lange Laufstrecke wappnen. Nach dem Duschen und ein paar Nudeln, war ich – fast – wie ein neuer Mensch.

Nur mit den Besten
Und endlich war ich auch in meinem Element. Natürlich hatte das lange Radfahren Spuren hinterlassen und die Umstellung auf die Schwerkraft beim Laufen fiel mir Anfangs recht schwer. Doch nach einigen Runden auf der 1,3 km langen Strecke normalisierte sich das Ganze und ich konnte Runde um Runde genießen. Endlich hatte ich mal genügend Gelegenheit mit den anderen Athleten zu quatschen, blöde Sprüche zu machen oder einfach die Begleitung meines Teams zu genießen. Auch die Jungs von der Radstrecke hielten Wort und kamen zum Laufen vorbei. Dabei stellten sie ständig Fragen wie: „Würdest du jetzt noch aufgeben? Würdest du mir mein T-Shirt unterschreiben? Dürfen wir morgen wieder mit dir laufen?“ Das war total süß! Ich fragte sie, ob sie mit jedem der Athleten mitlaufen würden. „Nein“, war die Antwort, „nur mit den Besten!“ „Naja“, war mein dezenter Einwand, „dann seid ihr aber bei mir an der falschen Adresse“. Immerhin lag ich ja recht weit hinten im Feld… „Nein, wir laufen nur mit den für UNS besten!“, antworteten sie. Am liebsten würden sie auch noch eine Runde mit dem Dänen mitlaufen, aber sie wüssten nicht, wie sie ihn fragen sollten. Nachdem sich niemand traute, bin ich zu Morten hin und fragte auf Englisch, ob das für ihn ok sei, wenn die Jungs mit ihm mitliefen. Natürlich, das würde ihn sehr freuen, sagte er, er wäre halt nur nicht mehr so schnell unterwegs. Daraufhin waren die Jungs total happy. „Danke, Iris!!!“, riefen sie mir überglücklich zu und verschwanden mit Morten auf seiner Runde.

Irgendwann kam die Dunkelheit und mit der Dunkelheit natürlich auch wieder der Regen. Nach rund 45 Stunden Wettkampfzeit und knapp 60 km auf der Laufstrecke spürte ich gegen 4 Uhr morgens mit einem Schlag heftige Müdigkeit. Immer wenn ich stehen blieb, begann ich zu torkeln und mein Kreislauf war nicht mehr allzu stabil. Außerdem spürte ich, dass ich in eine Art Tunnel lief. Augen auf den Boden gerichtet und mit Musik auf den Ohren, wollte ich nur noch in Ruhe gelassen werden. Das gefiel mir gar nicht. Hatte ich mir doch im Vorfeld vorgenommen, dass ich – mir und meinem Team zuliebe – in genau eine solche Situation nicht geraten wollte. Also beschloss ich erneut eine kleine Schlafpause einzulegen.
Kaum lag ich im Schlafsack in Olis Auto schien draußen erneut die Welt unterzugehen. Heftige Sturmböen gepaart mit Sturzbächen prasselten auf das Autodach nieder. Das konnte mich jedoch nicht schockieren. Kaum lag ich, war ich auch schon eingeschlafen und hatte mit Oli eine Schlafzeit von 45 min vereinbart.

Luxus-Lauf
Mit Olis wecken schlug ich die Augen auf und war direkt mit den Gedanken im Wettkampfmodus. Also raus auf die Strecke, um die restlichen Kilometer abzuspulen. „Einfach durchziehen!“, so waren doch die Worte von Jörg, um mich auf diesen Wettkampf einzustimmen. 😉

Von da an war immer jemand aus meinem Team bei mir dabei. Wurde ich vorher schon verwöhnt (ich hab Lust auf Kaffee, ich will Ingwertee, mach mir bitte Haferschleim, ich brauch einen Kaugummi, wo ist mein Labello?), war es jetzt ein regelrechter Luxus-Lauf. Meine Laufpartner trugen meine Getränkeflaschen (Wasser oder Ingwertee), wahlweise etwas zu essen oder die Reste meiner Melonenschalen. Das war super und ich konnte Runde um Runde genießen – sofern man nach mehr als 100 km Laufen noch von Genuss sprechen konnte… immer öfter hatte ich jetzt natürlich das Bedürfnis mal ein paar Schritte zu gehen und immer öfter hörte ich jetzt von meinen Mitläufern: „Iris, komm weiter – wir laufen wieder ein Stück.“
Irgendwann tauchte dann auch erneut das Team von RTL auf, um mich auf den letzten Runden und meinen Zieleinlauf zu begleiten. Der Kameramann fuhr auf einem Ebike filmend neben Flo und mir her. Dabei geriet er mächtig ins Wanken und wäre mir um ein Haar ans Bein und dann in den Graben gefahren. Auch ein weiteres Pärchen gesellte sich nun zu unserer Laufgruppe. Die beiden kamen mir sehr bekannt vor und nach kurzer Zeit stellte sich heraus, dass wir sie vor zwei Jahren beim Transalpine Run getroffen hatten.

Die letzten Runden vergingen somit wie im Flug. Ich fühlte in mich hinein, wie emotional ich nach all‘ den Stunden war. Würde ich heulen müssen? Eigentlich weine ich ja eher bei Zieleinläufen von anderen und weniger bei meinen eigenen. Aber von Tränen  keine Spur. Ich war einfach nur froh und unendlich erleichtert, dass ich es bald geschafft hatte. Dass ich die Strecken ohne große ernsthafte Zwischenfälle absolvieren konnte und es nun einfach nur vorbei war. Und so war die Freude riesig, als ich am Ende der vorletzten Runde von Wolfgang die Deutschlandfahne gereicht bekam, die ich gemeinsam mit Petra, Marion, Flo und Oli über die letzten 1,3 km tragen sollte. Auch die Jungs hatten sich uns wieder angeschlossen, um die letzten Kilometer mit mir zu bestreiten. Das war super!

Kaum liefen wir ums Eck, um für die letzten 50 m auf den Schützenplatz einzubiegen, hörte ich schon die ersten Töne von „An Tagen wie diesen“. Mein Zieleinlauf-Lied. Und das UTMB-Lied von Oli und mir „…und kein Ende in Sicht..“ Als ich das hörte, musste ich kurz aufschluchzen. Oh Mann, jetzt fang bloß nicht noch an zu heulen, warnte ich mich. Aber nach ein paar Metern war ich schon wieder abgelenkt: Bernhard begrüßte uns, die Österreicher klatschten uns ab und dann ging es auch schon nach rechts durch den Zielbogen. Durch das Tor des Glücks, des Erfolges und der Belohnung, nach all‘ den vielen Wochen und Monaten des Trainings, des Organisierens und des Bangens. Welch ein Genuss!

Ich weiß nicht, wie lange wir dort standen und einfach nur den Augenblick genossen. Es muss eine kleine Ewigkeit gewesen sein, bis wir endlich zu fünft durch das Zielband schritten. Etliche Leute hatten sich dort versammelt, einige Teammitglieder, andere Athleten, die Leute von RTL, Bernhard und Wolfgang. Der Moment war super schön. Wir fielen uns in die Arme und beglückwünschten uns gegenseitig. Wolfgang kam, um mir feierlich das Finisher-Shirt zu überreichen. Nach unserer Umarmung sah ich ihm ins Gesicht und bemerkte Tränen in seinen Augen. Da war es um mich geschehen, meine Selbstbeherrschung dahin und ich musste ebenfalls ein bisschen heulen.

Im Finisher-Shirt gab es dann noch etliche Fotos im Zielbogen und im Strandkorb, bis die Leute von RTL sich ihren Weg bahnten, um mit mir das Zielinterview zu führen. Im Nachhinein weiß ich nicht mehr, was ich sagte und zum Glück wurde dies auch später nicht in der Reportage verwendet, denn ich kann mich nur noch erinnern, dass der Satz: „Ohne mein Team hätte ich das nie geschafft“, einfach nicht ohne Schluchzer über meine Lippen kommen wollte.

Vielleicht war das anfangs naiv, aber mir wurde erst im Laufe des Wettkampfes so richtig bewusst, dass ich ohne Petra, Marion, Flo und Oli diese Herausforderung nie hätte bewältigen können. Ohne Leute, die meinen Traum ohne Kompromisse mitleben und im Wettkampf alles dafür tun, meine Bedürfnisse zu erfüllen, indem sie ihre eigenen Wünsche für einen Moment zurück stellen, wäre das nie machbar gewesen! Eigentlich gibt es nicht die richtigen Worte, um mich angemessen für diese Unterstützung zu bedanken. Ich versuch es trotzdem: Vielen lieben Dank, dass Ihr mein Team wart! Nur gemeinsam haben wir das Ding gerockt!!