Mai 2010: 24h-Lauf Steenbergen

08. – 09. Mai 2010: 24h-Lauf Steenbergen

Unsere Ergebnisse:

Frank Nicklisch: 180,075 KM
Gesamtrang 5

Quelle Fotos: mijnalbum.nl

 

 

Laufbericht von Frank Nicklisch:

24-h-Lauf Steenbergen, 08. – 09. Mai 2010
„Auf der letzten Runde sind schon Tote wieder aufgestanden…“

In Steenbergen hatte ich noch eine Rechnung offen! Nachdem ich in den letzten zwei Jahren aufgrund von Verletzungen und Krankheit nur mäßige Ergebnisse erzielen konnte sollte diesmal alles besser werden.

Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start waren aber auch dieses Jahr alles andere als gut. Viel Stress bei der Arbeit, kaum Zeit auch nur für ein Minimaltraining in den letzten Wochen. Dann am Samstagmorgen mit Kreislaufproblemen aufgewacht (…nicht schon wieder ein Infekt!!!) und bei der Anreise nach Steenbergen fast 45 Minuten im Stau gestanden und letztlich nur etwa 30 Minuten vor dem Start angekommen. Keine optimale Voraussetzung um einen Lauf über 24 Stunden zu bewältigen.

Dank freundlicher Hilfe der Organisatoren konnte ich in Rekordzeit meinen Pavillon aufstellen und meine Verpflegungsvorräte auf einem Tisch aufstellen. Ganze 10 Minuten vor dem Start habe ich mir dann noch die Startnummer geholt und mich umgezogen und Wettkampffertig gemacht. Dabei fiel der Startschuss… Den Start habe ich nur um eine Minute verpasst – aber was ist schon eine Minute bei einem Wettkampf über 24 Stunden.

Also bin ich dem Feld hinterher gerannt und schon nach wenigen Runden hatte ich meinen Rhythmus gefunden. Die Kopfschmerzen vom Morgen verschwanden bald und ich konnte mich in Ruhe auf das Rennen konzentrieren. In der Anfangsphase wollte ich langsamer laufen als in den letzten Jahren, was auch zum Teil gelungen ist. Die 2092m lange Runde wollte ich in ca. 13 Minuten umrunden – real wurden es dann doch 12:15. Aber ich fühlte mich gut und konnte dieses Tempo lange halten. Den ersten Marathon erreichte ich nach 4:15h, etwa 5 Minuten unter meiner Planzeit.

Aber danach folgte die erste Krise. Zwischen km 40 und 45 fühlte ich mich körperlich und mental am Ende. Alles tat weh, keine Energie mehr und der Gedanke an die nächsten 19h ließ mich schier verzweifeln. Ich spielte mit dem Gedanken abzubrechen und nach Hause zu fahren…

Ich reduzierte das Tempo etwas und aß und trank ausgiebig und versuchte mich neu zu sortieren. Ich redete mir ein, dass ab km 50 alles besser und leichter gehen wird und tatsächlich, nach der 50km Marke konnte ich wieder Fahrt aufnehmen. Ich kehrte wieder zu alten Rundenzeiten zurück und konnte zwischenzeitlich rundenlang mit dem Führenden zusammen laufen. Mein Planziel von 11:15h für 100km unterbot ich um eine Minute – perfekte Zeiteinteilung 🙂

Doch nach 113km folgte die zweite Krise – und diese war nicht so leicht zu meistern. Wieder war ich völlig kraftlos und die Schmerzen ließen sich beim besten Willen nicht mehr ignorieren. Wenn ich jetzt so weitermache, werde ich die nächsten 11h gehen – und mein Ziel ein weiteres Mal verfehlen.

Eine Entscheidung musste her! Also erst mal eine Pause. Während die erste Morgenröte am Horizont auszumachen war rollte ich mich in meinen Schlafsack und versuchte 2 Stunden zu schlafen. Einigermaßen erholt stand ich gegen 6:00 wieder auf und machte mich wieder fertig. Die Kleidung war inzwischen nicht nur nass, sondern auch eiskalt und ich tauschte alles was ging aus. Zusätzlich noch Handschuhe und so ging es mit leichten Schüttelfrost wieder auf die Strecke.

An der Verpflegungsstation trank ich eine heiße Bouillon und checkte meine Position im Rennen. Ich war in den 2 Stunden von Platz 9 auf Platz 11 zurückgefallen – das hielt sich ja noch in Grenzen…

Die erste Runde nach der Pause lief noch etwas wackelig, aber dann konnte ich wieder im meinen Rhythmus kommen. Die Rundenzeiten kamen wieder in den Bereich der Planung und ich fühlte mich halbwegs erholt. Nur noch 9 Stunden laufen…

Langsam begann ich wieder zu rechnen – wenn ich einen Rundenschnitt von 17 Minuten halte, werde ich über 180km erreichen. Doch mit den Stunden kam auch die Erschöpfung zurück und das Ziel rückte in weite Ferne. Etwa 5 Stunden vor Ende rechnete ich mit einer Gesamtstrecke von etwas mehr als 170km, die ich auch dann noch erreichen könnte, wenn ich weite Teile der Strecke gehen würde.

Doch es kam anders als vermutet. Jutta, Peter und Jochen, drei andere deutsche Läufer, die in anderen Wettkämpfen gelaufen waren oder bereits aus dem 24h Rennen ausgeschieden waren machten es sich zur Aufgabe mich zu coachen. Ich lag mittlerweile auf Platz 5, mein nächster Verfolger 5 Runden zurück und der nächste Läufer vor mir vier Runden voraus. Der Verfolger würde mir nicht gefährlich werden, und auch den vor mir laufenden würde ich kaum noch 4 Mal überrunden.

Doch bald zeigte sich dass Bob, der vor mir liegende Läufer, in einer Krise steckte und sehr langsam über die Strecke schlich. Ich nutze die Chance und konnte ihn im Laufe der nächsten Sunde zweimal überholen.

Drei Stunden vor Ende sagte mir mein Team, dass die 180km durchaus erreichbar seien – ich müsste nur eine Rundenzeit von 16 Minuten einhalten. Ich dachte auf der nächsten Runde darüber nach – ich hatte schon Schwierigkeiten die 17 Minuten zu halten, wie soll ich da unter 16 Minuten bleiben? Aber sie ließen nicht locker, und tatsächlich lief ich ab diesem Zeitpunkt eine Runde nach der anderen im Bereich zwischen 15 und 16 Minuten.

Nach jeder Runde wurde ich jetzt von einem johlenden Team empfangen und auch der Streckensprecher kündigte mich jede Runde erneut an.

Doch knapp 90 Minuten vor dem Ende kam eine neue Krise. Unvermittelt kamen Kreislaufprobleme auf, die sich recht dramatisch mit Gleichgewichtsstörungen, Sehstörungen und Ohrensausen bemerkbar machten. Mühsam torkelte ich um die Runde und verlor kostbare Zeit. Ich trank größere Mengen Cola und Energiedrink und aß etwas Kuchen und so kam der Kreislauf wieder ins Lot. Aber ich hatte 24 Minuten für die Runde gebraucht – das Ziel 180 km zu erreichen war in unerreichbare Ferne gerückt. Es war noch genau eine Stunde und ich müsste noch 4 Runden laufen, also mit einer Rundenzeit von 15 Minuten.

Die nächsten beiden Runden konnte ich mit gut 16 Minuten laufen, was bedeutete dass ich die beiden letzten Runden unter 14 Minuten laufen müsste. Der einzige Lichtblick war, dass ich Bob ein weiteres Mal überholen konnte.

Aber auch angesichts solcher ernüchternder Tatsachen gab mein Team die Hoffnung nicht auf. Ich hörte immer wieder: „Auf der letzten Runde sind schon Tote wieder aufgestanden“. Und tatsächlich: die vorletzte Runde mit glatten 15 Minuten gab den Auftakt für eine schnelle letzte Runde.

Jetzt galt es: alles oder nichts! Ohne am Ende der Runde anzuhalten oder Verpflegung zu mir zu nehmen bin ich durchgelaufen und habe das Tempo angezogen. Nach knapp einem km rief mir ein Zeitnehmer zu dass ich noch 7 Minuten habe. Aber die Beine wurden immer schwerer… Bei 1500 m rief mir ein anderer Zeitnehmer zu dass ich noch 3 Minuten hätte – für 600 m.

An der nächsten Ecke stand schon Jochen aus dem Team mit einem Klappstuhl und erwartete mich – aber jetzt würde ich die Runde beenden und die 180km voll machen! Ich zog das Tempo bis auf etwa 4:30 an und sprintete mit aller Kraft die ich noch hatte in Richtung Ziel. Ich lief über die Erfassungsmatten und noch weitere 91 m bis das Schlusssignal ertönte. Ich hatte die letzte Runde in 12:11 geschafft. Ich hatte 180075m in den letzten 24h zurückgelegt! Aber ich hatte Bob nicht noch mal überholen können.

Peter und Jutta brachten mir einen Stuhl und eine Jacke und so wartete ich erschöpft aber glücklich auf die exakte Vermessung der Reststrecke.

Mit meinem 5. Platz durfte ich sogar noch bei der Siegerehrung mit aufs Podium und konnte noch ein Preisgeld entgegennehmen.

P.S. Bob, der Läufer vor mir, den ich rundenlang verfolgt und mehrfach überholt hatte konnte seine Position trotz all meiner Anstrengung halten. Sein Vorsprung von zwischenzeitlich 7 Runden ist auf zuletzt 67m zusammengeschmolzen…

Zur Website des Veranstalters: www.ultraloopsteenbergen.nl