Juni 2009: North Sea Beach Marathon

Juni 2009: North Sea Beach Marathon

Laufbericht von Claudia Kümper:

Ziemlich spontan entschloss ich mich, nur drei Wochen nach dem Mittelrhein Marathon in Dänemark beim Beach Marathon an den Start zu gehen. Es war die zehnte Auflage dieses naturnahen Laufes zwischen Dünen und Meer, der in diesem Jahr von Norden (Hvide Sande) nach Süden (Vejers) ausgetragen wurde. Vor genau vier Jahren war ich meinen allerersten Halbmarathon an diesem Strand gelaufen. Frank hatte damals meinen ersten „Laufversuchen“ ein konkretes Ziel entgegengehalten: In 5 Monaten von 0 auf 21 km!

Dieses Mal wollte Fabian sich an den Halbmarathon wagen, fast ohne Training (abgesehen vom Laufen beim Fußball und einer allgemeinen Sportbegeisterung), aber so fit und locker, dass ich automatisch an mein Alter erinnert wurde…

Ich meldete mich für den Marathon an und dachte mir, dass ich im schlimmsten Fall halt einen Strandspaziergang daraus machen würde. Schließlich hatte ich vorher ja nichts von meinem Vorhaben verlauten lassen, sodass ich ganz entspannt war. Finja und Svende begleiteten uns (Finja auch als Autofahrerin zwischen den unterschiedlichen Startorten und dem Ziel sowie vor allem für die Rückfahrt und Svende als Fotografin) und standen dafür am Sonntagmorgen um 5 Uhr auf. Es war schön, dass die beiden mit uns mitfieberten.

Wir kamen sehr zeitig in Hvide Sande an (von allen eingeplanten Eventualitäten war unterwegs keine einzige eingetroffen!) und konnten in Ruhe die Startunterlagen abholen, einen Blick über diesen vertrauten Ort werfen, der für mich wohl immer mit Kindheits-Urlaubserinnerungen verbunden bleiben wird, am Strand in der Sonne sitzen (Schatten gab es nicht) und der langsam größer werdenden Schar der Läufer zusehen. Ich verabschiedete mich von meinen drei Kindern (nicht ohne zum wiederholten Mal den geplanten Ablauf durchzusprechen, überflüssige Tipps zu verteilen und Fabian natürlich ganz viel Glück und Erfolg auf seinem ersten Lauf zu wünschen) und war nun auf mich alleine gestellt.

Schon auf dem Weg von den Dünen zum Start schaufelte ich mir den ersten Sand in die Schuhe. Während das überschaubare Läuferfeld auf den Startschuss wartete, fand als besonderer Programmpunkt über unseren Köpfen ein Formationsflug einiger Düsenjets statt.

Endlich ging es los, und wie die meisten anderen Läufer suchte ich zielstrebig einen relativ festen Untergrund, der zu Beginn an der Wasserkante zu finden war. Schon nach kurzer Zeit war die Spitze des Feldes nur noch am Horizont zu erahnen und ich machte mir Gedanken, wie viele (genauer: wie wenige) Läufer wohl noch hinter mir waren. Doch ich fand meinen Rhythmus und wurde nicht von mehr Läufern überholt als ich selbst überholte. Da begann ich den Lauf zu genießen, auf Geräusche, die Salzluft und die grandiose Weite zu achten und nicht über Zeiten nachzudenken. Immer wieder standen kleine Zuschauergrüppchen am Strand und klatschten, manchmal mussten wir auch Hindernisse umlaufen oder den flachsten Weg durch Priele suchen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Sand in meinen Schuhen zusammen mit dem Salzwasser zu einer Art Schmirgelmasse verbunden und die ersten Blasen an den Füßen meldeten sich unnachgiebig. Zum Glück ließ der Schmerz etwas nach, wenn die Blasen aufplatzten, also versuchte ich, nicht weiter daran zu denken. Inzwischen war der Sand deutlich weicher geworden und die Suche nach einer geeigneten Laufstrecke gestaltete sich schwieriger. Ich sah auch andere Läufer die unökonomische Zickzackvariante wählen und verschwendete viel Energie damit, mich mit Arm- und Körperunterstützung aus so manchem Sandberg wieder herauszuwühlen. Noch hatte ich Energiereserven und ging nicht gerade sparsam damit um. Ich fragte mich, wie lange die Kraft wohl am Ende reichen würde.

Ein Highlight waren die Verpflegungsstellen, die alle 5 km (später auch in kürzeren Abständen) aufgebaut waren und wo wir immer sehr nett und aufmunternd begrüßt wurden. Die meisten Läufer machten dort Pause, hielten ein Pläuschchen (leider sind meine Dänischkenntnisse sehr marginal, sodass ich eher schweigend daneben stand) und warfen die Plastikbecher zum Schluss vorbildlich in die aufgestellten Behälter. Erst dann ging es weiter.

Am besten ist mir die Verpflegungsstelle 5 km vor dem Ziel in Erinnerung. Zu diesem Zeitpunkt fühlte ich mich nur noch muskelschwer, überhitzt und ausgelaugt. Als ich mich meiner ersehnten Pausenstelle näherte, applaudierten die Helfer mir schon von Weitem zu und boten mir neben Energieriegeln und Getränken auch zügig einen kalten Nackenguss aus ihrem Schöpfgefäß an. Diese freundliche, persönliche Anteilnahme ging mir richtig nah.

Obwohl der Strand überwiegend menschenleer war, gab es auch die Hochburgen der Badeurlauber, wo man sich den Weg zwischen Sandburgen, Handtüchern und Ballspielenden hindurch regelrecht suchen musste. Manchmal ertönte ein Beifallsklatschen aus einer Strandmuschel, aber meistens wurden wir hier mit Verwunderung angesehen.

Abgesehen von den Verpflegungspausen, für die ich mir durchaus einige Minuten Zeit ließ, bin ich bis km 27 gut durchgelaufen. Dann meldete sich der innere Schweinehund zusammen mit dem Gefühl von leichter Übelkeit und weichen Knien. Dieser Versuchung, einfach ein Stück Gehpause einzulegen, konnte ich lange widerstehen, bis ich einen Läufer wiedertraf, mit dem ich am Anfang ein ganzes Stück auf gleicher Höhe unterwegs gewesen war. Er ging – und da begann ich auch zu gehen, obwohl ich mich zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon wieder besser fühlte. So nutzte ich die Gehpause zum langsamen Verzehr von Powergel, was meinem Magen auch gut bekam. Nach der nächsten Verpflegungsstation trabte ich wieder los, gleichzeitig brach die Sonne hinter einer diesigen Wolkenschicht hervor und brachte das Meer zum Glitzern. Ich fühlte mich bestärkt und merkte, dass ich wieder einen Rhythmus gefunden hatte. So konnte ich bis zum Schluss laufen.

Das Ziel hörte ich eher als ich es sah. Musik und gelegentliche Kommentare schallten laut über den Strand. Beim Näherkommen sah ich auch die international beflaggten Fahnenmasten entlang der Zielgeraden – und dann entdeckte ich Finja, Fabian und Svende, die mir zujubelten, ein Stückchen mitliefen und fotografierten. Mir wurde ganz warm ums Herz! Nach 5:48:28 Stunden (brutto) war ich am Ziel – und sehr glücklich!

Von 327 angemeldeten Marathonläufern hatten 263 das Ziel erreicht, darunter 26 Frauen (ich davon auf Platz 18 und als 5. meiner Altersklasse). Noch nie zuvor war ich so viele Stunden am Stück gelaufen (na ja, inklusive einer Gehpause) und hätte nicht gedacht, dass ich mich überhaupt so lange laufenderweise auf den Beinen halten könnte! (Franks Kommentar dazu: Dann kannst du ja bald mal bei einem 6-Stunden-Lauf starten!).

Nun hatte endlich Gelegenheit, Fabian zu seinem ersten Halbmarathon zu gratulieren. Er war die Strecke in 2:01:16 ohne Probleme gelaufen, wirkte aber – wie ich später auf den Zielfotos sehen konnte – am Ende ganz schön abgekämpft. Als ich ins Ziel kam, war er bereits frisch geduscht und sehr entspannt. Die Kinder hatten zudem inzwischen dem örtlichen Bonbonladen einen Besuch abgestattet.

Die Rückfahrt begann mit Hindernissen, dann unser Auto (wie eine ganze Reihe anderer Wagen) hatte sich im Sand festgefahren und konnte nur mit Hilfe einiger freundlicher Menschen auf festeren Grund gebracht werden (zum kraftvollen Schieben fühlten weder Fabian noch ich uns zu diesem Zeitpunkt in der Lage). Die restliche Strecke hat Finja uns dann ohne Probleme nach Tönning chauffiert.

Ein Nachtrag:

6 Tage nach dem Beach Marathon nahm Svende mit ihrer Klasse (ca. 15 motivierten MitschülerInnen sowie einigen Eltern und Geschwisterkindern) an einem 24-Stunden-Lauf auf dem Husumer Sportplatz teil. Auch ich hatte mich zuvor bereit erklärt, die Klasse hierbei zu unterstützen, wobei ich davon ausgegangen war, dass die Jugendlichen sicherlich lieber den Erfolg unter sich und ohne Erwachsene erlaufen wollten. Doch schon gleich zu Beginn wurde ich gefragt, welche Strecke ich übernehmen könnte und meldete mich für ca. 2 Stunden ab 5 Uhr (und das nach einer Grillfeier am Abend zuvor!). So konnten die Kids eine Stunde am Stück schlafen (sie wechselten sich sonst immer nach wenigen Runden gegenseitig ab) und in Ruhe ab 6 Uhr am Frühstück teilnehmen. Es war mein erster Laufversuch nach dem Beach Marathon. Erstaunlicherweise waren die Muskeln schon wieder richtig locker – nur die vielen Blasen an den Füßen (auch 2 Zehennägel mussten dran glauben!) behinderten mich. So schaffte ich 20 km für die Gruppe und fuhr anschießend nach Hause, um den unterbrochenen Nachtschlaf nachzuholen. Zu diesem Zeitpunkt war die Anzahl der aktiven LäuferInnen schon deutlich geschrumpft. Als ich am späten Vormittag Fabian fragte, ob er nicht auch Lust hätte, die Klasse seiner Schwester zu unterstützen, sagte er spontan zu und lief bis zum Schluss immer wieder einige Runden mit. Die Klasse erreichte den 3. Platz der Gesamtwertung (und 1. Platz der Schulen) mit 281,2 km.