Juli 2011: Trans Scania

29.-31. Juli 2011: Trans Scania 2011 246 km nonstop

Unsere Ergebnisse:

Frank Nicklisch: 52:32:00 h
Platz 3 der Gesamtwertung

Artikel zu Frank in der Rhein-Zeitung

 

 

Laufbericht von Frank Nicklisch zum Trans Scania:

„An einem wolkenverhangenem Freitagmorgen steht ein kleines Häuflein von Läufern und Betreuern am Strand von Bjärred, an der Westküste Schwedens und wartet angespannt auf den Start des Trans Scania. Alte Bekannte werden begrüßt und neue Bekanntschaften werden geschlossen. Man tauscht Erfahrungen und alte Geschichten aus.

Bereits beim Frühstück im Hotel habe ich Bjarne kennengelernt und wir haben uns sofort angeregt über den bevorstehenden Lauf unterhalten. Gegen 7:00 wurden wir abgeholt und trafen am Auto auf Neil, den ich noch von der Teilnahme im letzten Jahr kannte. Unser Fahrer berichtete, er würde uns nach dem Start auf den ersten 23km begleiten, da auf diesem Teil der Strecke keine Markierungen sind.

Während wir am Strand warten beginnt es leicht zu regnen. Keiner der Läufer zeigt besondere Reaktionen, alle haben mit Regen gerechnet. Pär, der Rennleiter, gibt noch einmal letzte Instruktionen und Hinweise bevor wir uns gemeinsam auf den langen Badesteg begeben, an dessen Ende der Start erfolgen soll.

Etliche Badegäste und Strandbesucher bleiben stehen und sehen dem ungewöhnlichen Treiben zu. Immer wieder werden wir gefragt, was hier vor sich geht. Die Reaktion auf die Antwort ist immer großes Erstaunen und Respekt. Alle wünschen uns Glück für die bevorstehende Strecke. Das werden wir sicher brauchen können.

Schließlich liegen eine gewaltige Strecke vor uns. In den nächsten 60 Stunden werden wir bis an die Ostküste Schwedens laufen und wieder zurück nach Lund. Insgesamt 246km. Die Strecke führt über den Skåneleden, einem Netz an Trails durch ganz Skåne.

Auf ein kurzes „lets go“ hin setzt sich die Gruppe in Bewegung und folgt dem Führungsläufer zurück in Richtung Strand. Sofort biegen wir am Ende des Weges auf den Strand ab und ich denke mir noch was das für ein blöde Idee ist, die ersten Kilometer eines 246km Rennens über Sand zu führen.

Doch nach einer kurzen Strecke biegen wir von Strand ab und laufen auf der Straße. Ich stoppe bald an einer kleinen Mauer und ziehe meine Schuhe aus. Ich will sichergehen, dass unter keinen Umständen Sand in den Schuhen ist. Das könnte im Verlauf des Rennens fatale Folgen haben. Aber meine Gamaschen haben ganze Arbeit geleistet, kein Sand zu finden. Also ziehe ich die Schuhe wieder an und laufe dem Feld hinterher.

Die Gruppe ist noch dicht beieinander und läuft mit einem recht hohen Tempo. Noch haben alle Kraft und noch ist die Strecke einfach zu laufen. Die Anstrengungen auf der folgende Trailstrecke werden uns schon noch ausbremsen. Inzwischen hat es auch aufgehört zu regnen. Hoffentlich bleibt es noch möglichst lange trocken.

Bald erreichen wir Lund und kurz darauf sind wir auf dem Radweg in Richtung Skryllegården, wo der Skåneleden beginnt. Dazwischen ist eine lange Steigung, die wir aber jetzt noch locker wegstecken. Nur an steilen Stellen falle ich in den energiesparenden Gehschritt. Nach knapp zweieinhalb Stunden erreichen wir Skryllegården und die meisten Läufer legen eine erste Pause ein. Unsere Begleitläufer steigen hier aus, ab hier geht es auf dem Trail weiter.

Ich fühle mich noch gut und laufe gleich weiter. Meine Vorräte habe ich fast noch nicht angerührt. Ich laufe zusammen mit Dermot, der ebenfalls ohne Pause weiterläuft. Wir unterhalten uns angeregt, während wir weiterhin alle sechs Minuten einen Kilometer abspulen. Nach gut drei Stunden haben wir bereits 30km hinter uns. Doch so langsam wird die Strecke härter. Immer schmaler werden die Wege, immer öfter geht es durch hohes Gras, Brennnesseln und Brombeerranken. Dazwischen immer wieder ausgedehnte Abschnitte mit tiefem Matsch. Die Suche nach einer halbwegs trockenen Route lässt das Tempo sinken.

Auch die Steigungen werden häufiger. Ich gehe auch hier konsequent an jedem Anstieg. Die Strecke wird noch genug Kraft fordern. An einer besonders steilen Steigung, bei der wir über Felsen den Berg hinaufklettern werden wir von Linn und Ole eingeholt, die ein strammes Tempo laufen. Zu viert laufen wir weiter in Richtung Golfclub, wo sich mein nächster Verpflegungspunkt befindet.

Am Golfplatz warten Dermots und Oles Supporter. Zusammen mit Linn laufe ich weiter. Kurz halten wir am Kiosk an und essen ein Eis, auf das ich mich schon lange gefreut hatte. Hinter dem Golfplatz folgt ein schwieriger Abschnitt mit feuchten sumpfigen Wiesen und einem schmalen matschigen Weg an einem Zaun entlang.

Nach etwa einem Kilometer erreichen wir eine Straße, der wir weiter folgen. Die Strecke führt stetig bergab und wir können ein hohes Tempo laufen. Doch die Freude währt nur kurz und bald biegen wir wieder in den Wald ab und laufen auf einem schmalen Trail weiter. Kurz darauf laufen wir entlang einer Sandgrube und erreichen bald den Wald vor Blentarp. Es beginnt wieder zu regnen und als wir Blentarp erreichen biegt Linn ab um bei Freunden eine Pause zu machen.

Ich laufe allein weiter bis zur Ortsmitte und dort in den Laden. Ich kaufe Cola und ein Eis, dass ich trotz leichten Regens esse. Als ich aus dem Laden komme treffen gerade Dermot und Ole ein und werden von ihren Supportern erwartet. Ich wechsele ein paar Worte mit ihnen und mache mich wieder auf den Weg.

Hinter Blentarp geht es zunächst auf Feldwegen weiter. Nach einiger Zeit geht es allerdings auf einem Weg mit Kniehohem Gras weiter. Prinzipiell kein Problem, wenn es nicht bereits seit Stunden regnen würde. War der Regen bisher durchaus zu ertragen, so sorgte das nasse Gras jetzt binnen kürzester Zeit für vollständig durchnässte Schuhe. Die Laune sank.

Wenig später erreiche ich den Sövdesee. Der Regen lässt nicht nach. Zügig umrunde ich den See. Am Parkplatz am Strand sehe ich schon Oles Supporter stehen. Ich laufe weiter und folge bald wieder einem schmalen Trail in den Wald. Auf dem GPS sehe ich die Position der Drop-Bags. Nach etwa 2km habe ich sie erreicht und treffe dort die beiden Führenden Ola und Bjarne. Wir unterhalten uns kurz und dann laufen sie weiter.

Ich fülle noch meine Wasser- und Colavorräte auf und packe etwas Verpflegung ein bevor ich ihnen folge. Doch sie legen ein hohes Tempo vor und ich kann ihnen nicht folgen. So geht es allein weiter durch den Regen bis zum Snogeholmsee. Ich folge dem Uferpfad um den See herum und überquere dann die Hauptstraße und folge einem matschigen Waldweg.

Bevor ich wieder die Straße erreiche führt die Strecke etwa einen Kilometer über einen Wiesenweg. Wieder durchweichen die Schuhe in kürzester Zeit. Mein Zeitplan sieht trotz allem noch recht gut aus. Auch wenn ich es nicht mehr zum Laden schaffen kann, aber ich könnte es schaffen noch vor Ladenschluss die Pizzeria in Lövestadt zu erreichen.

Die Strecke folgt jetzt einer Straße in ein Tal und dann steil bergauf und dann wieder auf einen Feldweg. Kilometerlang winden sich die Feldwege durch die Felder und Weiden. Im stetigen Wechsel geht es auf und ab. Plötzlich sehe ich Bjarne vor mir. Er hat sich von Ola getrennt und ist jetzt allein unterwegs. Wir schließen und zusammen und unterhalten und gut, während wir auf Lövestadt zulaufen.

Kurz nach 21:00 erreichen wir schließlich Lövestadt. In den letzten gut 13 Stunden haben wir 98km zurückgelegt. Nach kurzer Suche finden wir die Pizzeria und bestellen Pizza und Dosenbier. Endlich sind wir an einem warmen und trockenem Ort. Nach dem Essen geht es gleich weiter, nicht ohne noch eine zweite Dose Bier für die Nacht mitzunehmen.

Auf dem Parkplatz vor der Pizzaria treffen wir wieder Ole und Dermot mit ihren Supportern, die gerade eine Pause machen. Fröstelnd laufen wir weiter durch den Regen. Mittlerweile muss ich meine Lampe anmachen. Dabei stellt sich heraus, dass Bjarne keine Lampe hat, da er sie in der Drop-Bag in der Hütte deponiert hat. Für die folgende Strecke ist das fatal. Die Strecke ist selbst mit Licht nur schwer zu bewältigen, ohne Licht hat man keine Chance. Zum Glück habe ich noch eine kleine Lampe für Notfälle und ich leihe sie Bjarne. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg nach Heinge.

Nach kurzer Strecke auf der Straße und auf Feldwegen folgte der Weg über Weiden und sumpfige Wiesen. Elektrozäune und Stacheldraht, Mauern und dichtes Gestrüpp im steten Wechsel. Immer wieder mussten wir neue Wege finden, da der eigentliche Weg durch weite Sumpfflächen versperrt war. Nur mühsam kamen wir voran. Obwohl zu zweit und mit zwei GPS bewaffnet fiel es uns oft schwer den richtigen Weg zu finden. Wir schafften nicht mehr als drei Kilometer in der Stunde.

Schließlich erreichten wir wieder die Straße, überquerten diese und folgten einem Feldweg  in Richtung Verkasee. Dort befindet sich die Hütte, die wir als Zwischenstopp ansteuern. Wir haben längst beschlossen, in der Hütte eine kurze Schlafpause einzulegen. Zwar hatte der Regen mittlerweile aufgehört, doch weiterzulaufen bis zum Wendepunkt und zurück zur Hütte würde uns weitere acht Stunden kosten. Ob es so lange trocken bleiben würde  war aber nicht sicher.

Als wir schließlich die Hütte erreichen ist es 2:00. Doch statt einer Hütte gibt es vier und alle sind dunkel. Wo müssen wir hin? Bjarne versucht die Hüttencrew anzurufen, hat aber keinen Erfolg. Ich versuchte es auch und hatte mehr Glück. Ich bekam eine stark gestörte Verbindung und versuchte klar zu machen, dass wir vor der Hütte stehen und nicht wissen wohin. Die Verbindung brach ab und es rührte sich immer noch nichts. Nach endloser Zeit öffnete sich die Tür an einer Hütte und ein verschlafener Bursche schaute raus. Wir hatten die richtige Hütte gefunden.

Ich versorgte schnell meine Füße, wechselte meine Kleidung und legte mich ins Bett. Die Crew versprach uns zu wecken. Gegen 6:00 ging es dann weiter. Es war mittlerweile wieder hell und es war immer noch trocken. Meinen Muskeln und Füßen ging es erstaunlich gut und wir konnten gut gelaunt auf die weitere Strecke gehen.

Schnell folgte die Strecke wieder schmalen Trails durch Wälder und über Weiden. Klettern über Zäune und Bäume folgten ebenso wie das balancieren auf schmalen Graten entlang eines Flusses. Im flotten Lauf ging es auf die Küste zu. Nach einer Stunde fing es an zu regnen. Unbeeindruckt ging es weiter.

Wir wunderten uns, dass wir nicht schon Läufer auf dem Rückweg getroffen haben. Es war nicht anzunehmen, dass in unserer Pause ein Läufer auf dem Rückweg bereits an der Hütte vorbei war, dafür waren wir zu weit vorne und die Pause zu kurz. Aber je länger es dauerte, desto mehr Freude kam auf, da es bedeutete, dass wir weniger Zeit verloren hatten als geglaubt.

Kurz vor Brösarp kam uns Linn entgegen. Wir waren überrascht sie hier zu sehen. Offensichtlich war sie die ganze Nacht durchgelaufen und lag jetzt in Führung. Kurz hinter ihr kam uns Ola entgegen. Er sah nicht mehr frisch aus und konnte nur noch gehen. Er bestätigte dass wir die Reihenfolge richtig eingeschätzt hatten und dass noch weitere Läufer unterwegs zur Küste sind.

Im Regen durchquerten wir Börsarp und gelangten schnell wieder auf den Trail. Durch den Wald und über Wiesen ging es stetig auf und ab und so gelangten wir bis zur Küste. Kurz vor dem Wendepunkt trafen wir Neil und Svante, die bereits auf dem Rückweg waren. Am Wendepunkt trafen wir Dermot und Ole, die gerade bei Ihren Supportern Pause machten. Schnell gingen wir zum Strand, machten ein paar Fotos und machten uns auf den Rückweg. Zwei Plätze hatten wir bereits aufgeholt.

Dann ging es auf den Rückweg. Wir hatten eine wichtige Marke geschafft. Ab jetzt geht es zurück, jeden Meter des kommenden Weges haben wir bereits gesehen. Außerdem ist der Rückweg etwa 13km kürzer, da das Ziel in Lund liegt und nicht an der Küste.

Tatsächlich erscheint einem der Rückweg deutlich kürzer als der Hinweg und so haben wir nach kurzer Zeit wieder Börsarp erreicht. Im Laden hole ich mir ein Eis und dort treffen wir auf Neil und Svante. Während wir im Eingangsbereich stehen fängt es an wie aus Eimern zu schütten. In kürzester Zeit waren wahre Sturzbäche auf den Straßen. Wir vier sahen uns betreten an. Schließlich zuckten wir nur mit den Schultern und gingen raus in den Regen. Nass waren wir sowieso.

Kurz hinter Börsarp überholten wir Neil und Svante und lagen somit wieder auf dem dritten Platz. Wir liefen weiter und spulten die Strecke zur Hütte zügig ab. Dort legten wir einen weiteren kurzen Stopp ein und füllten unsere Vorräte auf. Alle Teilnehmer, die heute morgen beim Verlassen der Hütte noch geschlafen hatten, haben mittlerweile abgebrochen. Das Feld hatte sich deutlich ausgedünnt.

Jetzt ging es bei Nieselregen weiter, zunächst die Straße entlang, dann über Feldwege und schließlich in den Wald. Die Strecke, die uns in der letzten Nacht solche Probleme bereitet hatte erschien jetzt, bei Tageslicht, geradezu unspektakulär. Die Markierungen waren von weitem zu sehen und die sumpfigen Abschnitte konnte man großräumig umgehen. Ohne große Probleme erreichten wir das Ende des Trailabschnitts und kamen bald darauf in Lövestad an.

Am Ortseingang traf ich Pär, den Organisator des Rennens, der sich nach meinem Zustand erkundigte. Ich sagte ihm, dass es mir soweit gut geht und ich lediglich etwas müde Beine hätte. Die Füße seien aber vollkommen in Ordnung. Das schien ihn zu überraschen, denn offensichtlich hatten die meisten anderen große Probleme mit Blasen.

Beim Laden in Lövestadt hielten wir kurz an. Ich kaufte Cola, ein Eis und eine Dose Bier. Mit Bjarne saß ich dann an einem Tisch vor dem Laden und trank das Bier, zur deutlichen Erheiterung der Passanten. Danach machten wir uns wieder auf den Weg und ich aß trotz Regens mein Eis.

Der nächste Abschnitt würde recht lang werden. Wir hatten bis jetzt etwa 165km zurückgelegt und der nächste Anlaufpunkt war unsere Drop-Bag bei Sövde, ca. 25km entfernt. So langsam machte sich die Erschöpfung bemerkbar und die Gehstrecken wurden länger. Bergab konnte ich noch laufen, aber bergauf und in den Ebenen ging ich meist. So schleppten ich mich über die Strecke.

Das Wetter schien sich etwas zu bessern, denn der Regen ließ nach und es kam zeitweise sogar die Sonne heraus. Die Strecke aber war zum verzweifeln. Endlose Geraden zwischen den Feldern, immer auf und ab. Dazwischen kurze Trailabschnitte, die mit hohem Gras immer wieder für nasse Füße sorgten. An einem Zaun, den wir überklettern mussten lauerte uns ein Hund auf, der sich aggressiv knurrend in unseren Weg stellte. Alles zureden half nichts, der Hund wollte uns nicht durchlassen. Letztlich konnte ich ihn mit meiner extrem lauten Signalpfeife verscheuchen. Schnell kletterten wir über den Zaun.

Wenig später, kurz vor Eriksdal begann es wieder zu regnen. In kürzester Zeit steigerte sich der Regen zum Starkregen. Wir hatten keine Möglichkeit uns unterzustellen und konnten das Wetter nur ignorieren. Meine Beine schmerzten mittlerweile immer mehr und ich wollte eine kurze Pause machen um die Beine auszustrecken, aber wir fanden keinen geeigneten Platz. Meine Stimmung sank stetig.

Weiter und weiter ging es und ich machte mir Gedanken über den weiteren Rennverlauf. Dass ich ankommen würde stand außer Frage, aber ich brauchte eine Pause. Wir waren seit der kurzen Schlafpause in der Hütte schon wieder seit über zwölf Stunden auf den Beinen. Ich beschloss in Blentarp, bei etwa 200km eine längere Pause zu machen. Dort war ein Hostel und ich wollte versuchen dort ein Bett zu bekommen.

Endlich war die lange Strecke durch die Felder vorbei und wir kamen wieder an den Snogeholmsee. Zügig liefen wir um den See herum. Am Ende des Sees sahen wir auf einem Parkplatz Oles Supporter. Also war Ole immer noch im Rennen und irgendwo hinter uns. Wenig später führte die Strecke erneut in den Wald und wir näherten uns den Drop-Bags.

Am Waldrand sahen wir auf einer Weide plötzlich eine Wildschweinrotte. Lauter junge Wildschweine, bestimmt zehn Stück. Bjarne fand sie drollig, aber ich warnte ihn vor der Gefahr, die von den älteren Tieren ausgeht. Zum Glück sahen wir die nicht.

An einer Kreuzung mussten wir trotz zweier GPS-Geräte längere Zeit nach der richtigen Strecke suchen, konnten sie aber dann im Unterholz finden. Wenig später waren wir bei den Drop-Bags. Ich füllte meine Vorräte auf und nahm noch eine Extraflasche Cola mit. Bjarne wechselte noch die Schuhe. Wir hatten vorher besprochen uns zu trennen, da Bjarne in jedem Fall durchlaufen wollte. Ich fühlte mich dazu momentan nicht in der Lage und so trennten wir uns hier.

Ich hatte Zweifel ob ich Abends um 22:00 noch ein Bett im Hostel bekommen würde und so suchte ich nach einer Schutzhütte, die ich auf dem Hinweg kurz vor Blentarp gesehen hatte. Trotz intensiver Suche konnte ich sie nicht finden. Also ging ich weiter zum Hostel. Als ich dort ankam war es mittlerweile 22:15 und zum Glück war noch jemand wach. Allerdings waren sie völlig ausgebucht und hatten kein Bett mehr frei. Frustriert zog ich weiter.

In Blentarp suchte ich einen trockenen Fleck wo ich mich kurz für zwei Stunden hinlegen könnte, fand aber nichts geeignetes. In einer Bushaltestelle machte ich eine kurze Pause, packte meine Lampe aus und aß ein wenig. Ich entwickelte einen neuen Plan. Wenige Kilometer weiter hatte ich noch eine Hütte gesehen, zu der wollte ich gehen. Sollte das nicht klappen, so würde ich zum etwa 10km entfernten Golfplatz weiterziehen, gegebenfalls noch bis zum Sportplatz, noch einmal drei km weiter.

Die nächste Hütte fand ich im Dunkeln auch nicht und so ging es weiter durch den Wald, an der Sandgrube vorbei und über schmale Straßen lange bergauf. Schließlich bog die Strecke auf eine Weide ab und bald war ich wieder an dem Zaun, an dem ich auf dem Hinweg so lange entlang gelaufen war. Zu dem Zeitpunkt war der Weg schon matschig gewesen, doch jetzt war es noch schlimmer. Streckenweise war kaum Halt zu finden.

Als ich das Ende des Zauns erreichte folgte ich den Markierungen durch das dichte Unterholz. Plötzlich sah ich vor mir Licht. Eindeutig eine Stirnlampe, nur etwa 50 Meter vor mir. Dort musste ich hin. Doch direkt vor mir war alles sumpfig. Ich suchte überall nach einem trockenen Weg, konnte aber nichts finden. Schließlich fand ich einen Holzsteg, in der Art wie sie hier immer über Sumpfwiesen führen. Ich ging auf den Steg und lief bis zum Ende. Dort war aber nur Sumpf vor mir. Ob es an der Müdigkeit oder der sonstigen Ausfallerscheinungen lag ist mir im Nachhinein nicht mehr klar, aber in der irrigen Annahme, dass am Ende des Steges im Abstand von höchstens einem Meter fester Grund sein müsste sprang ich in die Dunkelheit – und steckte bis zu den Knien im Sumpf. Zwei weitere Schritte und und ich erreichte wieder das trockene Ufer. Schuhe, Strümpfe, Füße, alles komplett durchweicht. Und jetzt noch 35 km bis ins Ziel. Es wird dringend Zeit für eine Pause.

Weiter ging es durch das Unterholz und über Felsen. Jetzt war ich direkt über dem Golfplatz. Dort wollte ich eine Pause machen, doch da war ja noch jede Menge los. Was wollen die vielen Leute um diese Zeit noch hier? Wieder nichts mit einer Pause. Aber am Ende des Parkplatzes sah ich wieder den Läufer, aber ich konnte nicht erkennen wer das ist. Auf dem folgenden Trailstück konnte ich ihn einholen und sah, dass es Ola war. Er sah schon bei unserem letzten Treffen, kurz vor Börsarp nicht sehr gut aus, aber jetzt lief er wie in Trance. Wir unterhielten uns kurz und wenig später kamen wir an dem Sportplatz an. Dort war auch eine Schutzhütte – endlich Pause.

In der Hütte lag schon ein Wanderer und schlief. Ich packte meine Rettungsdecke aus, zog Schuhe, Rucksack und Jacke aus und wickelte mich in die Decke. Es war extrem kalt. Ich bekam Schüttelfrost und konnte nicht ausreichen Wärme produzieren. Schließlich fiel mir mein letztes Set trockener Kleidung ein, die noch im Rucksack war. Warum bin ich nur nicht früher darauf gekommen. Schnell zog ich ein trockenes Unterhemd und Langarmshirt an und wickelte mich wieder in die Decke. Bald wurde es etwas warm und ich fand etwas Schlaf.

Gegen 4:00 wachte ich wieder auf. Am Horizont waren die ersten dunklen Konturen auszumachen. Ich lag noch ein wenig auf dem Rücken und checkte meinen Körper durch. Alles schien soweit in Ordnung zu sein, die Schmerzen waren weg, aber es war bitterkalt. Der Gedanke an meine nassen Schuhe ließ mich erschauern, aber ich hatte keine andere Wahl. Leise, um den Wanderer nicht zu wecken, stand ich auf, zog die nassen Schuhe und die nasse Jacke an, packte meine Rettungsdecke zusammen und legte den Rucksack an. Meine Lampe hatte ich bereits in den Rucksack gepackt. Es dämmerte bereits und bald würde es hell genug sein.

Das Wetter war trocken und es versprach ein sonniger Tag zu werden. Zügig ging ich über die Strecke und fand problemlos die Markierungen. Ich kam schnell voran. Wahrscheinlich waren in der Nacht mehrere Läufer an mir vorbeigezogen, aber das war mir egal. Ich wollte nur ankommen und ich würde ankommen.

Die Trailstrecke war nicht mehr so schwer wie in der letzten Nacht, doch es folgten steile Abstiege über Felsen und Baumwurzeln. Nach etwa acht km erreichte ich eine weiter Schutzhütte und wie ich es zuvor geplant hatte machte ich hier eine ausgiebige Frühstückspause. Danach ging es mir wieder relativ gut. Lediglich die Füße machten mir große Probleme. Die nassen Strümpfe und Schuhe, sowie der Schlamm, der in die Schuhe gedrungen war begannen ihr verhängnisvolles Werk. Ich hatte Blasen und Scheuerstellen überall an den Füßen.

Wenig später erreichte ich wieder die Straße und war zurück in der Zivilisation. Jetzt noch etwa zehn km bis Skryllegården über eine hügelige Trailstrecke und viele Weiden, die jedoch nicht zu schwierig ist. Zügig kam ich voran. Als ich Skryllegården erreichte, wachte dort die Camper gerade auf und die Leute zogen über das Gelände zum Einkaufen, waschen oder joggen. Mancher Jogger sah mich zweifelnd an, doch niemand sprach mich an. Ich muss wohl grauenhaft aussehen nach zwei Tagen auf dem Trail.

Jetzt waren es nur noch zehn oder zwölf Kilometer bis zum Ziel. Die Strecke folgte jetzt weitgehend den Radweg nach Lund. Ich ging mühsam los. Die Füße schmerzten, die Beine waren völlig ausgelaugt und ich konnte mich kaum noch auf das Ziel konzentrieren. Immer wieder musste ich kurze Pausen einlegen, oder einfach nur stehen bleiben. Hatte ich beim Frühstück noch mit einer Zielzeit von um die 51 Stunden gerechnet, so war jetzt klar, dass ich es niemals unter 52 Stunden schaffen würde.

Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel und ich schleppte mich übers offene Feld. Meine Wasservorräte waren bereits leer und ich hatte nur noch eine kleine Flasche mit Cola. Obwohl ich den Geschmack mittlerweile wiederwärtig fand, hatte ich keine andere Wahl als Cola zu trinken. Schritt für Schritt ging es dem Ziel entgegen.

Am Ende des Feldweges erreichte ich wieder die Hauptstraße und zu meiner Überraschung war ich bereits in den Außenbezirken von Lund. Ganz in den Nähe war mein Hotel. Ab hier kannte ich den Weg. Wenig später überquerte ich die Autobahn und rief Pär an um mitzuteilen, dass ich kurz vor dem Ziel bin. Er wollte mir mit dem Rad entgegenkommen. Bald darauf traf er ein und wir gingen zusammen das letzte Stück.

Am Sonntag um 12:32 erreichte ich nach 52:32h als dritter Teilnehmer das Ziel. Offensichtlich hatte mich keiner in der Nacht überholt. Sieger war Bjarne, auf dem zweiten Platz hatte Ola das Rennen beendet. Insgesamt erreichten nur acht der zwanzig Teilnehmer das Ziel.“

Website des Veranstalters: www.teamcreate.se